Erfahrungen mit Tanz und Kampfsport

 

 

 
Diesmal möchte ich über Sport sprechen, den ich mir noch im letzten Winter nicht zu träumen gewagt hätte und der vielleicht für Sportunschlüssige einen Anreiz, oder vielmehr eine Option zum rumsitzen, oder einfach eine Alternative darstellt. Meine neuen Sportarten fordern Harmonie auf physischer und metaphysischer Ebene, Einmütigkeit zwischen Geist und Körper -Einklang wie Yin und Gin, wie Soda und … äh, Ja … Yang. Na, jedenfalls muss man dabei mitdenken.

Ja, ich gehe mehrmals pro Woche ins Fitnesscenter um mir einen Gebirgsbach zu schwitzen und Muskeln aufzubauen, was ja nichts Besonderes ist.
Aber: Zusätzlich lerne ich Milonga (nein, das ist keine neue Kaffeesorte mit viel Milch. Das sollte so[klick] aussehen, wenn‘s fertig ist). Jeder, der wie ich genötigt wurde, als Jugendlicher die Tanzschule zu besuchen, wird bestätigen, Tango ist ziemlich platzaufwendig. Daher Milonga.
Das kann man sogar im Wohnzimmer zelebrieren, ja in der Küche oder im Gästebadezimmer.
Nein, nicht wirklich auf dem Gästeklo. Aber ihr wisst, was ich sagen will. Durch den eingebauten Zwischenschritt ist er nicht nur schneller als Tango, sondern schwieriger. Das heißt, ich muss mitdenken, was für jemanden mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Kolibris nicht so einfach ist.

Aber das ist noch nicht alles – Zweimal in der Woche erlerne ich die Kampfkunst des Krav Maga. Ich dachte, wenn jetzt eh schon mein Hirn mit dem Körper kommunizieren muss, da, wie oben erwähnt, gewisse Schritte beim Milonga nicht so einfach sind wie sie aussehen, könnte ich doch auch Kampfsport machen. Boxen kann jeder, Karate ist mir zu abgedroschen, cage fight zu unästhetisch, also – Krav Maga.

Ursprünglich wurde Krav Maga von einem Slowakisch/Ungarischen Juden erfunden um sich gegen böse Nazis zu verteidigen. Das Grundprinzip ist einfach: Wenn etwas funktioniert - wende es an.
Das heißt, es ist so ziemlich alles erlaubt um seinen Gegner zu besiegen – ein Schlag in die Fresse, mit dem Schuh aufs Ohr hauen, mit dem Finger ins Auge pieken oder den Papiereimer auf den Kopf stülpen- kombiniert mit einem Tritt in die Nüsse. Mit dem Bürotacker den Mund zu tackern und gleichzeitig einen Hirntaler, den vorbeilaufenden Dackel als Rammbock verwenden…usw.
Sogar ein französisches Brot wird in meinen Händen zur tödlichen Waffe!

Allerdings gibt es sowohl beim Milonga als auch beim Krav Maga ein schreckliches Hindernis für Menschen mit Berührungsphobie – eben die Berührungen!
Dass beim Milongakurs die Damen in der Überzahl sind, hab ich mir eh gedacht. Das macht aber nix, da ich nicht Rudolpho Valentino bin und somit lieber mit einer Frau tanze. Dabei stelle ich mir vor, meine Tanzpartnerin ist meine Chirurgin und bereitet gerade eine Gastroskopie an mir vor. So trickse ich meine Berührungsphobie aus (Fragt jetzt nicht, was für Ärztinnen wir hier in Wien haben. Nicht alles in meiner Alpentrottelrepublik ist schlecht.)

Auch beim Krav Maga sind in meiner Gruppe von sechs Leuten, vier Frauen.
Ich kapier‘s nicht.
Wo sind die Zeiten, als Damen noch beim Nachmittagstee über das englische Königshaus oder Häkelmuster tratschten? Damals war das brutalste was sie taten, eine zynische Bemerkung über die Queen abzulassen oder „Ach, herrjemine, ich wollte mein Sommerensemble mit dem beigen Florentiner tragen, doch sieht es Nachmittags nach Regen aus.“ sagen.
Heutzutage tragen Frauen nicht mal mehr einen Hut, geschweige denn ein Korsett. Arme Welt- Aber was solls. Zurück zm Thema:

Anfangs lief das Krav Maga nicht so gut, da ich eine natürliche Schlaghemmung gegenüber dem schwächeren Geschlecht habe. Das heißt, im Training bekam ich von so ner tätowierten Walküre prügel, dass ich hinterher drei Tage pfeifend im Kreis lief. Im Kampf bestand meine Gegenwehr aus gemurmelten Entschuldigungen, höflichen Verneigungen und der Andeutung eines Handkusses, was sie offenbar noch mehr in Rage brachte. Sie nannte mich einen gelackten Schnösel, worauf ich richtig wütend wurde und sie zum Duell forderte. Nein – nicht im Ring, sondern im Morgengrauen auf der Waldlichtung mit Perkussionspistolen und Sekuntanten was sie aber verneinte. 
Eigentlich ist die tätowierte Schlägerin recht nett, sie half mir sogar mal nach drei Stunden, meine Hand aus dem Toaster zu befreien und arbeitet als Kindergärtnerin. Aber im Ring wird sie zur Bestie.

Weil ich vom Prügelknabendasein genug hatte, habe ich meinen Freund Doktor Hamoudi zum Sparingspartner gemacht. Doktor Hamoudi, ein einarmiger syrischer Kriegsflüchtling, studierter Archäologe, der ein vorchristliches Tablett mit einer Tellermiene verwechselt hat, ist ein Meister im Stirn-gegen-Stirn-donnern.
Das gute an Krav Maga ist, jeder kann es machen. Egal ob alt, jung, dick oder dünn.
Frau Drahbichel, unsere Hausmeisterin zum Beispiel, ist unglaublich. Klein und quadratisch mit Kurzhaarschnitt und einer Brille, die Brenngläsern alle Ehre macht und die stets nach Suppe riecht, ist eine Topfighterin – wer hätt’s gedacht. Wenn ihr Wischmob zur tödlichen Waffe wird und sie ihre gelben Abwaschhandschuhe als Nunchaku verwendet, bleibt kein Auge trocken.
Oder Fräulein Ilse, die schüchterne Feinkostverkäuferin, die beim Kampf Raum und Zeit beherrscht. Dann steht sie vollkommen still, denkt, sie hat die Matrix angehalten, aber im selben Moment bekommt sie von der Schlägerkindergartentante eins übergebraten, dass es nur so scheppert.
Wie gesagt – Krav Maga ist für alle machbar.
Ich kann euch diese Sportart wirklich nur ans Herz legen.
 
 

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